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Kenia - Besuch bei Beryl

Im Westen Kenias, in Bondo am Victoriasee haben wir Danies Patenkind Beryl besucht. Als wir das erste Foto von ihr bekamen, war sie gerade drei Jahre alt. Jetzt ist sie neun. Ein liebes, etwas schüchternes und sehr hübsches Mädchen - wie man sehen kann. Es war schön, sie persönlich kennen zu lernen. Ein toller Tag mit ihr und ihrer Familie, die sich unglaublich viel Mühe gab, uns willkommen zu heißen und zu bewirten. Es gab Essen für uns und das halbe Dorf - Fisch, Gemüse, selbstgebackene Brotfladen und Ugali - ein stopfender Maismehlbrei, der nicht besonders schmeckt, aber satt macht. Alle trugen ihre besten Sachen und kamen vorbei, um einen Blick auf uns zu werfen. Es war wirklich rührend.

Was wir an dem Patenprogramm von Plan gut finden, ist, dass nicht nur das einzelne Kind Geld bekommt, sondern man das ganze Dorf und die Projekte der Umgebung unterstützt. Die Kinder sind quasi Botschafter ihrer Familien und Gemeinden. Sie profitieren, weil es ihrem Dorf und ihren Familien besser geht. Weil Schulen und Krankenstationen gebaut werden können. In Bondo wurde z.B. mit der Unterstützung des Plan-Geldes vor ein paar Jahren ein großes Wasserprojekt gestartet, was stetig ausgebaut wird. Mittlerweile können 16.000 Menschen dort über Brunnen mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Erkrankungen durch verunreinigtes Wasser, die hier nicht selten zum Tode führen, konnten so drastisch verringert werden. Plan berät und unterstützt finanziell, dann müssen die Gemeinden die einzelnen Projekte aber selber organisieren und Leute aus den eigenen Reihen bestimmen, die die Projekte betreuen. Ihnen wird natürlich weiter geholfen, aber sie sind für die Durchführung und den Erfolg zum großen Teil selbst verantwortlich.

Beryls Mutter (hier auf dem Bild) ist nicht ihre leibliche Mutter, sondern die zweite Frau ihres Vaters. Mehrere Frauen zu haben, ist in Kenia noch Alltag - vor allem, in den Dörfern, wo die Menschen wie bei uns vor 100 Jahren leben. Ihre leiblich Mutter ist vor einem Jahr zurück zu ihren Eltern gezogen und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Warum ist etwas unklar. Es gab wohl Unstimmigkeiten. Beryls Vater lebt mit ihrer jüngsten Schwester in Nairobi. Dort arbeitet er und schickt regelmäßig Geld ins Dorf. Sie und ihre anderen beiden leiblichen Geschwister wurden der Obhut der "Stiefmutter" überlassen, die selber zwei leibliche Kinder und ein weiteres Pflegekind hat - die Tochter eines Bruders von Beryls Vater. Es ist alles etwas wild und undurchsichtig - jedenfalls in unseren Augen. In Afrika ist das Alltag. Cousins und Cousinen nennen sich gegenseitig Schwestern und Brüder. Kinder von Geschwistern, Tanten und Onkeln werden übernommen, wenn die Eltern zum Arbeiten wegziehen oder sterben. Wegen der hohen HIV-Rate kommt das nicht selten vor. Männer übernehmen zuweilen die gesamte Familie eines verstorbenen Bruders - inklusive aller vorstellbaren Rechte und Pflichten. Was einerseits lebensnotwendig und sinnvoll ist, erscheint andererseits auch grausam. Hier kann sich kein Kind und keine Frau entscheiden, ob sie zu dieser neuen Familie gehören möchte. Man fügt sich schweigend in sein Schicksal. Vielleicht ist es so zu erklären, dass sich hier zwar alle umeinander kümmern, die persönlichen Bindungen aber nicht so intensiv erscheinen, wie bei uns. Frauen sprechen z.B. nie über ihre Schwangerschaft. Man fragt nicht, wann das Kind geboren wird und ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Die Frauen hier sind sich einfach bewusst, dass es sehr gut sein kann, dass das Baby oder auch sie selbst die Geburt nicht überleben. Oder das Baby früh stirbt. Natürlich lieben sie ihre Kinder, aber auf andere Weise, als wir es kennen und zeigen. Die Familien in den afrikanischen Dörfern sind oft ganz simple gesagt Versorgungsgemeinschaften. Es war offensichtlich, dass Beryls "Stiefmutter" sich so gut sie konnte um alle Kinder gekümmert hat. Und kümmern heißt hier satt bekommen und zur Schule schicken. Für mehr bleibt kaum Zeit und Energie. Besonders glücklich schien sie nicht. Mehrmals äußerte sie, dass sie hoffe, dass Beryls richtige Mutter bald zurück kommen würde. Und Beryl hoffte das auch ...

An Beryls Schule wurden wir quasi überrannt. Wir haben wohl noch nie so viele Hände geschüttelt ...

Beryl war von der ganzen Aufregung um ihre Person sehr eingeschüchtert und verängstigt. Sie hatte noch nie so im Mittelpunkt gestanden und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Später ist sie dann aber aufgetaut und hat sich über unseren Besuch gefreut und uns stolz ihr Zuhause gezeigt ...

Beryl sitzt mit über 40 anderen Kindern zwischen sieben und zehn Jahren in einem Klassenzimmer. Das ist im Vergleich zu anderen Schulen, die wir gesehen haben, noch gut. Über 100 Schüler in einer Klasse sind keine Seltenheit. Bücher und Hightech gibt es nicht. Die Lehrer sind froh, wenn Kreide da ist ...

Was uns - wie schon ein paar Mal zuvor - etwas genervt hat, war, dass man als Weißer von vielen Menschen hier auf sehr unverschämte Weise nach Geld oder anderen Zuwendungen und Geschenken gefragt wir. Nein, eigentlich nicht gefragt, oft wird einem in einer Art Befehlston gesagt, man solle Geld rausrücken. Einerseits ist das verständlich, weil die Menschen hier sehr wenig haben, vor allem im Vergleich mit uns. Für sie sind wir quasi Gelddruckmaschinen mit unbegrenzten Mitteln wie Dagobert Duck. Wir haben Leute getroffen, die tatsächlich überrascht waren, dass wir arbeiten und sparen müssen. Sie gehen selbstverständlich davon aus, dass wir steinreich sind. Und einige betrachten es wirklich als unverschämt, dass wir ihnen nichts von unserem unermesslichen Reichtum abgeben wollen. Natürlich denken sie nicht daran, dass uns jeder, den wir hier auf der Straße treffen, nach Geld oder Geschenken fragt und sie nicht die Einzigen sind. Was uns aber tatsächlich manchmal ärgert, ist, dass es recht viele Leute gibt, die eine Art Nehmer-Mentalität entwickelt haben und es als selbstverständlich erachten, dass man ihnen ohne Gegenleistung etwas gibt. Das mag auch an der großen Präsens von Hilfsorganisationen liegen, die nicht ausschließlich für Verbesserung sorgen, sondern in unseren Augen teils Passivität fördern. In diesem Fall war es so, dass wir natürlich Geschenke mitgebracht haben. Und zwar reichlich. Wir wussten nicht, dass wir auch Beryls Schule besuchen würden, haben aber auf die Schnelle noch 50 Kugelschreiber, Hefte und einen großen Fussball mit Pumpe für den Schulhof aufgetrieben - zusätzlich zu allem, was wir mit ins Dorf gebracht haben. Wir haben dafür keinen riesen Dank erwartet, aber auch nicht, dass uns vorgeworfen wird, wir hätten zu wenig mitgebracht. Einige Lehrer kamen tatsächlich zu uns und fragten, wo denn ihre Geschenke seien. Als wir erklärten, wir haben der Schule ja Ball, Pumpe und 50 Kugelschreiber zur Verfügung gestellt, war die entrüstete Antwort: "Was, nur 50 Kugelschreiber?" Da kommt man sich dann doch etwas komisch vor.

Es mag sich unsozial anhören, aber unsere Erfahrung ist, dass die Leute in den Ländern, die wir bereist haben, keine Kleider- oder Essensspenden brauchen. Manche haben so viele Altkleider, dass sie sie auf dem Markt verkaufen. Zudem kommt hier niemand auf die Idee, einen Riss in der Bluse oder ein Loch im Shirt mal zu nähen oder zu stopfen. Die Menschen hier brauchen vielmehr ein besseres Bildungssystem sowie medizinische Versorgung. Dies sind zwei grundlegende Institutionen, für die eigentlich der Staat aufkommen müsste. Und bei allem was wir hier mitbekommen und in der Zeitung lesen, wären die meisten afrikanischen Regierungen durchaus in der Lage eine Verbesserung des Bildungssystems zu finanzieren. Stattdessen reden die Politiker in Kenia beispielsweise gerade darüber ihre Gehälter um 2000 Euro zu erhöhen. Derzeit liegen sie bei 10.000 Euro pro Monat. Und das steuerfrei. Zudem sind wir zu dem Schluss gekommen, dass Hilfe nur hilf, wenn die Menschen zwar Unterstützung bekommen, aber selber mit anpacken müssen oder sogar die Führung eines Projekts übernehmen und sich verantwortlich fühlen.

Beryls "Stiefmutter" hatte das Wohnzimmer der Lehmhütte mit Decken und Tischtüchern für unseren Besuch dekoriert und offenbar das halbe Dorf beim Kochen eingespan

Ja, alle haben sich sehr gefreut ... Sie können es nur nicht so zeigen. Nein, im Ernst, ein Foto zu schießen ist hier eine erste Angelegenheit. Normalerweise lacht dabei niemand. Man muss sich schon sehr anstrengen, um die Menschen hier - vor allem die Erwachsenen - zu einem strahlenden Cheeeeeeeeese zu überreden ...

Vor dem Essen wurde noch ein bißchen Ball gespielt. Auch die Erwachsenen machten mit und waren so begeistert, dass die Kinder kaum noch zum Zuge kamen ...

Nach dem Essen stand die halbe Nachbarschaft an, um ein Porträtfoto machen zu lassen. Allen mussten wir natürlich das Versprechen geben, Abzüge zu schicken. Wir werden also gut zu tun haben, wenn wir wieder in Berlin sind ...

Richard, einer der Organisatoren unseres Besuchs und freiwilliger Helfer bei den Projekten.

Beryls Großvater wollte unbedingt mit seiner Kuh fotografiert werden. Er trug, wie man sieht, sein bestes Hemd und war so stolz. Es war einfach schön.

Insgesamt verlebten wir einen sehr spannenden, emotionalen Tag, der uns auf jeden Fall berührt hat. Es war toll, Beryl und ihre Familie zu treffen und so herzlich aufgenommen zu werden. Auch wenn manche Kids etwas schüchtern waren. Aber viele hatten einfach noch nie oder nur selten Weiße gesehen. Wir werden bei unserer nächsten Kenia-Reise auf jeden Fall wieder vorbeischauen ...


 

© 2020 Daniela Meyer | www.hauptstadtjournalisten.de